Franz Steinmaßl
Mollner Jahre
Eine Sozialgeschichte meiner Familie
Bindeart: hart gebunden
Format: 16x24 cm
Seiten: 250
Preis: 29,50 €
ISBN: ISBN-13: 978-3-903340-01-5
Sonstiges: mit zahlreichen Fotos
Am Anfang dieses Buches, so sagt er, am Anfang stand seine Großmutter. In ihrer unendlichen Redseligkeit habe sie ihm immer wieder die Geschichten ihrer Jugend erzählt, vom Fensterln, vom ledgen Kind und dass ihre Schwiegermutter ein Dreckfink war. Und irgendwann habe er begonnen, diese Geschichten aus der Erinnerung aufzuschreiben.
Vom Ende her gesehen, vom fertigen Buch also, ist daraus eine umfangreiche Erzählung geworden, die sogar noch in die Jahre vor dem I. Weltkrieg zurückreicht und in deren Mitte die kleinen Leute, Handwerker, Fabriks- und Forstarbeiter stehen, auf ihren kleinen Sacherln, der vielen Arbeit und dem bescheidenen Leben.
Jetzt also: 7. Dezember 1952, ein Sonntag, im Hause Molln 23. London begann gerade, in einer Wogen giftigen Nebels zu ersticken („The Great Smog“), meine Tante Mitzi, älteste Schwester meines Vaters, vollendete an diesem Tag ihr 44. Lebensjahr und Tom Waits wurde gerade drei Jahre alt. Außerdem: Am 7. Dezember 1941 haben die Japaner die US-Marinebasis Pearl Harbour auf Hawai überfallen, und in diesem Jahr 1952 war der 2. Weltkrieg gerade erst sieben Jahre zuvor zu Ende gegangen und damit noch höchst lebendig.
Ich kam gegen 10 Uhr mit Hilfe der Hebamme Maria Wimmer zur Welt, offensichtlich ein gesunder Bub, und die Erleichterung im Haus war riesengroß. Denn meine Mutter hatte zuvor schon zwei Kinder während der Schwangerschaft verloren, ich war dann quasi schon der dritte Anlauf. Mit ihren Schwangerschaften hatte Mutter auch nach meiner Geburt noch ihre große Not: Definitiv weiß ich von einer Totgeburt und zwei ganz früh verstorbenen Geschwistern, einer Anni, die – notgetauft von der Hebamme – gleich nach der Geburt gestorben ist, und von Hubert, der mit einer Hasenscharte und einer Gaumenspaltung, damals „Wolfsrachen“ genannt, auf die Welt gekommen und nur ein halbes Jahr alt geworden ist.
Zurück zu jenem 7. Dezember 1952: Vater war so glücklich über meine Geburt, dass er gleich am Abend zum Kraml-Wirt hinein gegangen ist, um dort die Frohbotschaft zu verkünden und entsprechend zu feiern. Heimgekommen ist er, vor lauter Freude gewiss nicht mehr nüchtern, mit unserem neuen Nachbarn, dem Laußermaier Franz. Mutter musste mich noch einmal auspacken, um meine kleinwinzige Männlichkeit der gebührenden Bewunderung preiszugeben.
Wenn jedoch, meist an meinen Geburtstagen, die Rede auf diese Episode kam, hat Mutter immer ein saures Gesicht gezogen, lustig war ihr das nicht gewesen.